Dark Light

Studien zeigen, dass bis zum Jahr 2050 die Nachfrage nach Lebensmitteln um mehr als das Doppelte ansteigen wird. Doch längts ist klar, dass wir unsere wachsende Bevölkerung nicht mehr auf die gleiche Art ernähren können, wie wir es im Moment tun. Multiresistente Bakterien, Rodungen des Regenwaldes, Biodiversitätsverlust und der Klimawandel sind nur einige wenige Probleme, die uns in Verbindung mit der heutigen Tierhaltung und Massenproduktion in den Sinn kommen. Denn die Produktion von tierischen Lebensmitteln pustet mehr Treibhausgase in die Luft, als es Flugzeuge, Autos und Züge gemeinsam tun. Mal ganz davon abgesehen, dass alleine in der Schweiz jährlich um die 60 Millionen Nutztiere geschlachtet werden (Zahlen von 2012). Die Biomasse der Nutztiere auf der Erde übersteigt die Masse an wilden Säugern um das Zehnfache. Es gibt drei mal mehr Mast- und Legehühner als wildlebende Vögel. ABER – Fleisch isch doch so fein!

Warum das ganze Schwein kaufen, wenn ich auch einfach die Wurst züchten kann?

Die Forschung arbeitet hart für alle Fleischliebhaber, denn in den letzten Jahren erfuhr das Feld um “Clean Meat” einen grossen Aufschwung. Start-Ups wie JUST Inc., Mosa Meat und Memphis Meats schossen wie Pilze aus dem Boden. Alle verfolgen sie das gleiche Ziel; Fleisch aus Tierzellen statt von lebenden (bzw. natürlich toten) Tieren. Die Idee ist so simpel, wie genial. Wenn ein Organismus, ob Mensch oder Tier, gezeugt wird, startet sein Leben als eine einzige Zelle. Diese teilt sich in immer mehr Zellen und sogenannte Stammzellen differenzieren sich zu Zellen mit bestimmten Funktionen; unteranderem zu Muskelzellen, Blutzellen und Fettzellen. Die Forscher entnehmen den Nutztieren Gewebeproben, welche gerade einmal so gross wie ein Sesamkorn sind und lassen die Stammzellen im Kulturmedium proliferieren. Je nach Wachstumsbedingungen entwickeln sich die Stammzellen dann zu spezifischen Zelltypen. Es wäre nicht mehr notwendig mehrmals Zellproben zu nehmen, denn würde man eine einzelne Zelle über einen Zeitraum von 3 Monaten sich teilen lassen, könnten wir 30’000 (!) mal den jährlichen Fleischkonsum der gesamten Erde abdecken. Und wer das extrem eklig findet, sollte sich ins Bewusstsein rufen, dass unser Körper eigentlich genau dasselbe macht. Muskel-Stammzellen in unserem Körper, beispielsweise, teilen und vermehren sich und bilden dann die Muskulatur, so wie wir sie kennen. Das folgende Video von Mosa Meat veranschaulicht schön, wie der Prozess der Fleischzüchtung genau abläuft.

Die ökologischen Auswirkungen

Da es noch keinen Betrieb gibt, welcher gezüchtetes Fleisch in grossem Masse herstellt bzw. herstellen kann, gibt es noch keine genauen Studien, welche die ökologischen Auswirkungen von Laborfleisch mit der herkömmlichen Fleischproduktion in Relation gesetzt haben. Doch es existieren bereits Prognosen, welche eine amerikanische Studie aufgestellt hat. Danach werden Land- und Wasserverbrauch sehr wahrscheinlich sinken, da weniger Futter angebaut werden muss und weniger Weideland bzw. Hallen für die Massentierhaltung zur Verfügung gestellt werden müssen. Ebenfalls werden die Treibhausemissionen gesenkt werden, da immer weniger Kühe mit ihren Methan-Pupsen die Luft verpesten. Jedoch könnte sich der Stromverbrauch im Vergleich zur konventionellen Fleischproduktion erhöhen, denn die tierischen Zellen müssen bei einer Körpertemperatur von 37°C inkubiert und gezüchtet werden und dies 24/7. Jedoch ist es sehr schwierig genaue Prognosen aufzustellen, denn je mehr Forschung in die Produktion gesteckt wird, desto effizienter und umweltfreundlicher kann Fleisch in Zukunft gezüchtet werden.

Was bedeutet das fürs Tierwohl?

Dass zukünftig weniger bis keine Tiere mehr für die Fleischproduktion geschlachtet werden müssen, liegt wohl auf der Hand. Das geht natürlich mit geringerem Leid der Tiere einher. Doch bei aller Lobpreisung möchte ich auch die momentane Problematik von “cleanem” Fleisch aufzeigen. Damit die Zellen sich teilen und vermehren können, müssen sie sich in einem Nährmedium befinden. Dieses Medium versorgt sie unteranderem mit Wachstumsfaktoren, Eiweissen, Glukose und weiteren Mikronährstoffen. Im Moment wird dafür noch FCS, sogenanntes “fetal calf serum” oder “fötales Kälberserum”, verwendet. Die genaue Zusammensetzung von FCS ist nicht bekannt, doch bislang hat es immer gut gewirkt. Fötales Kälberserum wird gewonnen, in dem man die schwangere Kuh schlachtet und den noch lebenden Kalbsfötus aus dem Uterus herausschneidet und sein gesamtes Blut extrahiert und aufreinigt. Das Kalb wird nicht betäubt und sehr wahrscheinlich spürt es auch schon im ungeborenen Stadium Schmerz. Aus diesem Grund wird sehr viel Geld in die Entwicklung von serumfreien Nährmedien gesteckt. Denn fürs Fleisch kein Tier zu schlachten, jedoch die Zellen in Kälberblut aufzuziehen ist natürlich Unsinn. Deswegen wird sehr wahrscheinlich das erste gezüchtete Fleisch, welches auf den Markt kommt, auch frei von jeglichem Kalbsserum sein.

Wann gibt’s das Laborfleisch?

Mosa Meat und Memphis Meats haben die Markteinführung ihrer ersten Produkte für 2021 geplant, wie lange es dann jedoch geht bis wir hier in der Schweiz gezüchtetes Fleisch in den Supermärkten kaufen können sei dahin gestellt. Doch ich möchte hier natürlich anmerken, dass es bereits sehr gute Alternativen zu Schnitzel, Burger und Co. In unseren Regalen gibt. Firmen wie Naturli, Vivera und natürlich die Coop und Migros Eigenmarken haben pflanzliche Fleischalternativen auf dem Markt, welche sich sehen und essen lassen können. Wer sich also Gedanken um die Umwelt und das Tierwohl macht, jedoch noch nicht ganz aufs Fleisch verzichten kann, empfehle ich wärmsten einmal diese Produkte auszuprobieren. Es lohnt sich wirklich. Im Quellenverzeichnis verlinke ich euch gerne meine Lieblings-Alternativen, welche dem Original in keinster Weise nachstehen müssen.

Quellenverzeichnis
Titelbild von Unsplash (Annie Spratt)
Video von Mosa Meat
Global food demand and the sustainable intensification of agriculture by David Tilman, Christian Balzer, Jason Hill, Belinda L. Befort (2011)
Livestock’s long shadow: environmental issues and options
SwissVeg: Schlachtzahlen Schweiz
The Biochemist Magazine: Food Production
Anticipatory Life Cycle Analysis of In Vitro Biomass Cultivation for Cultured Meat Production in the United States by Carolyn S. Mattick, Amy E. Landis, Braden R. Allenby, Nicholas J. Genovese
Cornatur Knusper-Stäbchen Meeresart
Naturli Veganer Burger
Vivera Schnitzel Hähnchenart
Violife Greek White Block


1 comment
  1. Also zuerst einmal : ich finde diesen, wie auch jeden der Artikel auf Deinem Blog sehr fundiert analysiert und interessant! Danke, dass Du diese wichtigen Inhalte teilst!

    Der Fleischkonsum oder zumindest das Bedürfnis denke ich, wird über die ganze Welt betrachtet, aufgrund der Industrialisierung und des Wachstums auch in Schwellenländern und heutigen “3.Weltländern” zunehmen. Jedes Fleisch kaufen und essen zu können sehen viele als eine Art Reichtum an. Jedoch bin ich auch der Meinung, dass dies so nicht weitergehen kann. Hier braucht es aber ein radikales Umdenken auch in den übrigen Ländern, um den Konsum machhaltig drosseln zu können. Ich glaube, sobald die ersten Produkte auf dem Markt sind, kurzzeitig Studien dazu vorliegen, auf Kalbsblut verzichtet und vor allem der persönliche Nutzen (! denn niemand wird sein Verhalten ändern, wenn er keinen Nutzen für sich sieht) aufgezeigt wird, kann ein wichtiger, erster Schritt in die richtige Richtung getan werden.

    Die vegetarischen / veganen Alternativen finde ich im Verhältnis teilweise überteuert und teilweise auch nicht nachhaltig genug. Klas trifft dies nicht auf alle Produkte zu.
    Eine schon ewige, teilweise wirklich nachhaltig effiziente Lösung geht über die Preisentwicklung. Erhöht man die Preise für Fleisch in den Ländern deutlich an (inflationsbereinigt) und bietet stattdessen günstigere und dennoch ökologisch nachhaltigere Varianten, kann m.E. ebenfalls ein hoher Hebeleffekt erzielt werden.

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