PLASTIK! Der Teufel im raschelnden Gewand. Welche Auswirkungen der Gebrauch von Plastik und insbesondere Single-Use-Kunststoffprodukte und -Verpackungen auf die Umwelt haben, wissen wir schon längst. Zirka 50% des produzierten Plastiks wird lediglich ein einziges Mal verwendet und landet dann im Müll. Um dem entgegenzuwirken sollen nun ab 2021 sämtliche Wegwerfprodukte aus Plastik, für welche es Alternativen gibt, vom europäischen Markt verschwinden. Seit einiger Zeit findet man Plastiktüten im Handel, welche als biologisch abbaubar und kompostierbar angepriesen werden. Doch sind sie wirklich eine nachhaltige Alternative?
Forscher der Universität Plymouth in Grossbritannien verglichen in ihrer Studie kompostierbare, biologisch abbaubare und oxo-abbaubare Beutel mit konventionellen Plastiksäckchen aus Polyethylen. Sie wollten herausfinden, wie sich die verschiedenen Kunststoffe in der Umwelt verhalten. Zu diesem Zweck wurden die Tüten für drei Jahre im offenen Gelände aufgehängt, im Boden eingegraben oder im Meer versenkt. In den Tiefen des Meeres zählen die Plastiksäckchen zu einem der meist gefundenen Abfallprodukte, denn selbst bei sachgemässer Entsorgung können leichte Tüten unbeabsichtigt durch Wind oder Starkregen von Deponien in die Gewässer getragen werden.
Wie unterscheiden sich die “Öko”-Plastiktüten in ihrem Abbauprozess?
Als biologisch abbaubar dürfen sich die Kunststoffe bezeichnen, welche bestimmte nationale oder regionale Standards erfüllen. Problematisch ist hier, dass die meisten Standards im Labor definiert werden, in welchen andere Luft- und Temperaturbedingungen herrschen als in der Umwelt. Einige Standards setzen sogar Temperaturen von bis zu 70°C voraus.
Biologisch abbaubare Tüten bestehen, wie ihre konventionellen Analoga, aus Kunststoff. Sie können jedoch aus pflanzlichen Rohmaterialen, sowie auch aus erdölbasierten Polymeren bestehen. In der Theorie zersetzt sich biologisch abbaubarer Plastik in der Natur frei von jeglicher menschlicher Einwirkung.
Anders sieht es bei kompostierbaren Plastiktüten aus. Diese werden, wie auch biologisch abbaubare Beutel, durch Mikroorganismen und Pilze abgebaut, jedoch in einem durch den Menschen kontrollierten Prozess. Während biologisch abbaubare Materialien so konzipiert sind, dass sie in der freien Natur zerfallen, erfordern kompostierbare Materialien spezielle Kompostierungsbedingungen (Belüftung, Temperaturerhöhung, etc.).
Oxo-Plastik enthält Pro-Oxidantien, welche den natürlichen Zerfallsprozess beschleunigen. Was zunächst gut klingt, hat aber einen schalen Beigeschmack. Denn die Polymerstruktur zerfällt in winzig kleine Mikroplastikfragmente, welche dann noch schwieriger aus der Umwelt entfernt werden können. Ausserdem können falsch entsorgte oxo-biologisch abbaubare Kunststoffe sogar das Recycling von PET erschweren, wenn nicht sogar verunmöglichen.
Auch nach drei Jahren unter Wasser halten die Tüten eine Shoppingtour aus
Nach neun Monaten an der Luft waren sämtliche Proben so sehr zerfallen, dass sie nur noch als spröde Mikroplastikfragmente vorlagen. Die Forscher konnten keinen Unterschied zwischen der konventionellen Polyethylen-Tüte und den abbaubaren Alternativen finden. Als Grund für den schnellen Abbau wurden die UV-Einstrahlung, der Kontakt mit Sauerstoff und die erhöhte Temperatur genannt.
Interessanterweise, verlor von den eingebuddelten Proben nur die kompostierbare Tüte an Reissfestigkeit und hielt “nur” noch dem Gewicht einer Packung Milch stand. Auch verschwand der kompostierbare Plastik vollständig im Meerwasser. Andererseits, hielten alle anderen Plastiksäcke den Naturgewalten stand und auch nach drei Jahren in der Erde und im Ozean hätte man einen Einkauf von 2.25 kg tätigen können.
Biologisch abbaubarer Plastik – Alles nur Beschiss?
Das Experiment hat gezeigt, dass biologisch abbaubare, oxo-biologisch abbaubare und konventionelle Kunststoffformulierungen über einen Zeitraum von mehr als 3 Jahren im Boden und in der Meeresumwelt funktionstüchtig bleiben. Der kompostierbare Beutel war das einzige Material, welches sich innerhalb von 3 Monaten im Ozean vollständig aufgelöst hat, im Boden blieb es jedoch intakt. Ausserdem bleiben die Bedenken hinsichtlich der Anhäufung von Mikrokunststoffen in der Umwelt, und es bleibt abzuklären, ob der Zerfall zu Mikroplastik nicht ein noch grösseres Umweltrisiko darstellt als die ursprünglich intakten Kunststoffbeutel. Wenn sich Mikroplastik im Boden und Meer ansammelt, wird er Teil einer komplexen Mischung aus organischer Substanz und mineralischen Komponenten. Es wird vermutet, dass Mikrokunststoffe in diesem Umfeld extrem negative Auswirkungen auf Flora und Fauna haben.
Obwohl der Begriff “biologisch abbaubar” chemisch gesehen nicht ganz falsch ist, ist die Bezeichnung hochgradig irreführend. Er vermittelt dem Konsumenten, dass es sich hier um eine ökologischere Alternative handelt. Doch wie die Studie zeigt, bieten biologisch abbaubare Plastiktüten keinerlei Vorteile und ermutigen den Menschen im schlimmsten Fall sogar zu einem leichtsinnigeren Umgang mit dem Material, indem Plastikmüll achtlos in der Umwelt entsorgt wird.
Quellenangaben:
Titelbild von Unsplash (Paul Bence)
Environ. Sci. Technol. (2019): Environmental Deterioration of Biodegradable, Oxo-biodegradable, Compostable, and Conventional Plastic Carrier Bags in the Sea, Soil, and Open-Air Over a 3-Year Period by Imogen E. Napper and Richard C. Thompson
spektrum.de: Abbaubare Plastikbeutel – drei Jahre später
focus.de: EU: Endgültig grünes Licht für Verbot von Einmal-Plastik
parlament.ch: Oxo-biologisch abbaubare Säckchen. Eine schlechte Idee
quarks.de: Darum hat biologisch abbaubares Plastik keine Vorteile
wilernachrichten.ch: Ökosack bereitet Probleme
Nachtrag: Kompostierbare Beutel, welche ausdrücklich mit einer Knospe gekennzeichnet werden (in der Schweiz werden sie als Compo-Bag verkauft) bestehen vollständig aus nachwachsenden Rohstoffen und dürfen im Bioabfall entsorgt werden. Doch hier ist es wichtig, dass die zuständige Kompostieranlage über die richtige Ausstattung verfügt. In einigen Anlagen verrotten die Säckchen nicht schnell genug und müssen aufwendig wieder aus dem Kompost entfernt werden.